Bericht zu Werkstätten für ein diskriminierungsfrei(er)es Nachtleben in Wü.

Wie wird das Nachtleben in Würzburg diskriminierungsfrei(er)?
Nachbericht zu den Werkstätten des Bündnisses für Zivilcourage am 11.12.2017

 

Rund 60 Menschen waren am Montag Abend, 11. Dezember 2017, der Einladung des Würzburger Bündnisses für Zivilcourage in die Posthalle Würzburg gefolgt, um gemeinsam zu überlegen, wie das Würzburger Nachtleben für alle diskriminierungsfrei(er) gestaltet werden könnte. Darunter Vertreter*innen von Würzburger Clubs, Diskotheken und Securityfirmen sowie von Diskriminierung Betroffene und am Thema Interessierte. Nach kurzen Erfahrungsberichten von Beteiligten und Betroffenen folgten Input-Beiträge der geladenen Referent*innen: Elisabeth Kirchner vom Wildwasser e. V., Hamado Dipama vom Netzwerk Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern e. V. und Evi Gerhard, Mitglied im Würzburger Behindertenbeirat. Anschließend wurden in drei Werkstätten die Diskriminierungsfelder Rassismus, Sexismus und fehlende Barrierefreiheit intensiv erörtert. “Unsere Veranstaltung war ein guter erster, wichtiger Impuls”, resümiert Stephanie Böhm, Mitglied im Sprecherrat des Bündnisses für Zivilcourage. “Nun müssen wir sehen, wie nächste Schritte aussehen könnten.” Man wolle auf jeden Fall im Austausch bleiben. Der Würzburger Ombudsrat, eine vom Bündnis gestellte unabhängige Anti-Diskriminierungsstelle, sei hier für alle Seiten ein vertrauensvoller Partner.

 

Erfahrungsaustausch zum Einstieg

 

Zu Beginn des Abends beleuchtete Jojo Schulz, Betreiber der Posthalle und Gastgeber für die Veranstaltung, das Problem aus seiner Perspektive: Er hatte sich vor einigen Wochen an den Würzburger Ombudsrat gewendet, weil es in der Posthalle verstärkt zu Schwierigkeiten mit meist größeren Gruppen ausländischer Männer gegeben habe. Da es ihm aber wichtig sei, dass alle Besucher*innen sicher und entspannt feiern könnten – unabhängig von Herkunft, Religion oder Geschlecht – suche er nach Wegen, die Situation zu entschärfen, ohne pauschale Eintrittsverbote für Migranten auszusprechen. Auch andere Club-Betreiber*innen hatten sich mit ähnlichen Nachrichten an den Ombudsrat gewandt.

 

Im weiteren Verlauf sorgten mehrere junge Männer mit Fluchterfahrung mit ihren persönlichen Erfahrungsberichten für den Perspektivwechsel: Sie beklagten, dass sie im Würzburger Nachtleben regelmäßig, ohne Angabe von Gründen, von Türstehern abgewiesen würden. Dabei seien sie nicht etwa in großen Gruppen unterwegs, sondern oft alleine oder mit deutschen Freunden. Auf die Frage, warum sie nicht eingelassen würden, erhielten sie von Türstehern immer wieder Aussagen wie “Weil ich Lust dazu habe” oder auch “Einfach, weil ich das sage”. Sie hätten den Eindruck, dass hier Machtmissbrauch betrieben würde und das in Verbindung mit rassistischem Denken.

Infolge gleicher Erfahrungen hatten Ronny XXX und sein syrischer Freund Khaled vor knapp zwei Jahren in Eigeninitiative in einem Würzburger Club regelmäßig an der Tür gestanden, um zwischen dem Sicherheitspersonal und ausländischen Gästen zu vermitteln. Eine Aktion, die ihrer Meinung nach durchaus Erfolg brachte. Khaled hatte in der Türkei selbst als Türsteher gearbeitet und berichtete von massiven Gewalterfahrungen mit unterschiedlichsten Gruppen in dieser Zeit. Für ihn sei es gerade deshalb nicht nachvollziehbar, dass man Männern nur aufgrund ihres ausländischen Aussehens vom Feiern ausschließe, da man ihnen ihre Gewaltbereitschaft nicht ansehen könne.

 

Hamado Dipama, Mitbegründer des Netzwerkes Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern e. V., war eigens aus München angereist: Nachdem er vielfach ohne nachvollziehbare Gründe nicht in Münchner Clubs eingelassen wurde, hatte er eigene Feldstudien zu rassistischer Türpolitik durchgeführt und auf Basis der einschlägigen Ergebnisse rechtliche Schritte gegen zehn Betreiber*innen unternommen. “Wenn man in einem Rechtsstaat lebt, dann gibt es auch Rechtsstaatmittel. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz gibt es seit 2006 und auf der Grundlage des AGG kann ich meine Rechte in Anspruch nehmen”, stellte er fest.

 

Auch Evi Gerhard vom Würzburger Behindertenbeirat erzählte von den Schwierigkeiten, in Würzburg unbeschwert zu feiern: Denn die meisten Lokalitäten seien mit dem Rollstuhl nicht barrierefrei zugänglich und wenn doch, fehle es an rollstuhlgerechten Toiletten. Oft sei auch die Tanzfläche mit einer Stufe abgesetzt, sodass ihr auch hier kein Zugang möglich sei. Hohe Theken und Stehtische wären eine weitere Hürde. “Die meisten Probleme könnte man mit einfachen, gar nicht mal so teuren Maßnahmen leicht lösen, wenn der Wille da wäre”, stellte sie fest. Ihr Begleiter Florian XXXX brachte ein Beispiel aus einem anderen Lebensbereich an: Vor einiger Zeit hatte ein Donut-Laden neueröffnet – doch um hineinzukommen, muss man eine Stufe überwinden. “Ich habe den Besitzern des Ladens zweimal geschrieben und sie gebeten, doch eine mobile Rampe zu besorgen, die sich bequem hinter der Tür verstauen und bei Bedarf vor die Stufe legen lässt. Doch ich habe nie Antwort erhalten.”

 

Elisabeth Kirchner vom Wildwasser e. V. beschrieb die Formen und Häufigkeit von sexueller Belästigung und Gewalt im Nachtleben. Sie kam auf die Kampagne “Ist Luisa hier?” zu sprechen, die inzwischen in vielen Städten Deutschlands verbreitet ist: Frauen können sich im Falle von sexueller Belästigung und Gewalt bzw. Ängsten vor enstprechenden Übergriffen mit dieser Frage an das entsprechend geschulte Diskotheken- oder Club-Personal werden, das dann geeignete Maßnahmen zur Unterstützung der Frau einleitet. Zwar sei das Konzept keine Lösung für das Gesamtproblem, doch wäre es ein erster Schritt in Richtung mehr Sicherheit und Bewusstsein.

 

 

 

 

 

 

Inhalte und Ergebnisse der drei Werkstätten

 

Werkstatt 1: #partyohnerassismus

 

Die Werkstatt mit den meisten Teilnehmer*innen leitete Hamado Dipama, die Moderation übernahm Bündnis- und Ombudsrat-Mitglied Burkhard Hose. Zu Beginn gab es zunächst einige Nachfragen zu der Arbeit von Hamado Dipama. Anschließend berichteten mehrere Türsteher von eigenen schlechten Erfahrungen mit gewalttätigen Gruppen von Männern ausländischer Herkunft – und begründeten so ihre teils restriktive Einlasspraxis. Andere Teilnehmer stellten dem noch einmal ihre Diskriminierungserfahrungen entgegen, die sie als Einzelbesucher am Einlass gemacht hätten. Schnell wurde das mühsame Ringen um die Anerkennung von Diskriminierungserfahrungen deutlich. Allen Teilnehmer*innen war daran gelegen, anderen nicht die Glaubwürdigkeit der persönlichen Erfahrungen abzusprechen.

 

Die Diskussionsrunde befasste sich des Weiteren mit der Frage, wo hinter den individuellen Erfahrungen Ansätze für rassistische Prägungen einzelner Personen oder in Strukturen wirksam sind. Eine Fragestellung, mit der sich auch die Arbeit des Bündnisses für Zivilcourage schwerpunktmäßig befasst. Hamado Dipama betonte, dass es neben dem Verstehen und Anerkennen von Erfahrungen letztlich auch um die Garantie bürgerlicher Rechte gehe. Diese müsse man im Zweifelsfall auch einklagen können. Burkhard Hose stellte fest, dass sich auch das Bündnis für Zivilcourage vorbehalte, dort, wo diskriminierende Strukturen sichtbar werden und sich Beteiligte einem Gespräch verweigern, mit dem Ordnungsamt weitere Schritte zu überlegen. Lösungskonzepte konnten aufgrund der Komplexität, aber auch aus Zeitgründen keine entwickelt werden. Das einstündige Gespräch sei aber als ersten kleinen Schritt zu werten, dem noch viele weitere auf einem mühsamen Weg folgen müssten, so Hose.

 

Werkstatt 2: #barrierefreifeiern

 

Acht Teilnehmer*innen nahmen an Evi Gerhards Werkstatt teil, die von Bündnis-Mitglied Christina Lotz moderiert wurde. Leider hatte nur eine Mitarbeiterin einer Würzburger Diskothek den Weg in diese Runde gefunden, was durchaus als symptomatisch für das Problem zu deuten ist: Denn nur wenige Betreiber*innen scheinen Interesse daran zu haben, die Veranstaltungsräume für Menschen mit Handicap konsequent zugänglich zu machen. “In anderen Ländern ist das alles viel selbstverständlicher, da werden Menschen mit Behinderung nicht versteckt. Da kommt auch noch die 80-jährige Oma mit ins Restaurant, wenn sie im Rollstuhl sitzt”, berichtete Evi Gerhard. Der barrierefreie Zugang sei ein erster Schritt. Dieser würde schon durch eine einfache Rampe aus Holz oder Stahl für unter 200 € ermöglicht. Wenn eine barrierefreie Toilette aus baulichen oder Kostengründen nicht zu realisieren sei, könnte eine mobile Toilette die Lösung sein, die mit einem Euroschlüssel zugänglich ist. “Das sorgt auch für Sauberkeit, denn öffentliche Behinderten-WCs sind oft sehr verschmutzt”, so Gerhard. Ganz konkret wünschten sich die Teilnehmer*innen mit Handicap, dass in der Sanderstraße eine Behindertentoilette installiert würde. “In dieser Feiermeile gibt es viele ebenerdige Lokalitäten, die wir besuchen könnten”, sagte Florian XXXX.

Weiter wurde der Würzburger Nahverkehr thematisiert: Oft sei der Ausstieg aus der Straßenbahn oder dem Bus für Rollstuhlfahrer*innen alleine nicht möglich, man sei auf die Hilfsbereitschaft von Fahrer*innen oder Passant*innen angewiesen. “Das weiß man nachts zum zwei Uhr natürlich nicht und so ist man nie sicher, ob man wieder sicher nachhause kommt”, erklärte Florian XXXX. Auf der Suche nach möglichen Lösungen kam die Gruppe auf die Apps “handicap” und “wheelmap” zu sprechen, in denen Bars und Discotheken Informationen über Barrierefreiheit etc. veröffentlichen können. Diese App könnte mit Erfahrungsberichten erweitert werden – Florian XXXX möchte den Betreibern hierzu eine E-Mail schreiben. Zudem entstand die Idee, speziell für Würzburg einen Stadtplan für Menschen mit Behinderung zu entwerfen, in dem auch barrierefreie Feiermöglichkeiten aufgeführt werden. In Kürze wolle man ein Treffen zwischen dem Behindertenbeirat und dem Ombudsrat initiierten, um mit bestimmten Themen (mobile Behindertentoiletten, Rampen etc.) gemeinsam auf die Stadt zuzugehen. Zudem wird sich der Ombudsrat dem konkreten Fall des nicht barrierefreien Donut-Ladens annehmen.

 

Werkstatt 3: #sexismusfreie Zone

 

In der Werkstatt von Elisabeth Kirchner, geleitet von Bündnis- und Ombudsratmitglied Stephanie Böhm, stand die Frage nach geeigneten Awareness-Konzepten für Würzburg im Fokus (to be aware = sich bewusst sein, sich informieren, für gewisse Problematiken sensibilisiert sein): Bei diesen Konzepten sorgen entsprechend geschulte Awareness-Teams in Clubs und Diskotheken dafür, dass verletzendes und grenzüberschreitendes Verhalten wie zum Beispiel sexistische, rassistische, homo- oder transphobe Übergriffe, erkannt und verhindert bzw. beendet sowie Betroffene unterstützt werden. In Würzburg haben sich bereits einige Locations (aktuell im Live-Bereich) zu diesem Thema zusammengeschlossen. Die Beteiligten überlegen aktuell, ob das Konzept nur intern durch die Sensibilisierung und Schulung von Team und Personal umgesetzt werden sollte, oder ob man es auch nach Außen mit Plakaten u.a. sichtbar macht. “Einerseits schafft man durch die öffentliche Kommunikation Sicherheit – auf der anderen Seite kann sie aber auch eine verunsichernde Wirkung haben”, konstatierte einer der Teilnehmer. “Wobei Verunsicherung auch hilfreich sein kann”, ergänzte ein anderer. Wichtig sei in jedem Fall die Ausrichtung auf die Zielgruppe. Ein anwesender Partyfotograf schlug vor, hierzu eine Befragung in Clubs und Diskotheken durchzuführen. Zudem müsse die Frage, was vor dem Club und auf dem Nachhauseweg passiert, geklärt werden.

 

Zuletzt wurde noch ein Awareness-Theaterprojekt vorgestellt, das von einem Würzburger Theater aktuell geplant wird. Dabei stünden verschiedene Fragen im Fokus: Welche weiblichen und männlichen Vorbilder gibt es? Wie gehen wir damit um, dass die Sexualität von vielen Jugendlichen aufgrund von verschiedenen Einflüssen (Internet, Pornografie) zunehmend gestört ist? Und wie begegnet man der Verunsicherung bei Jungen und Männern über ihr Rollenverhalten und die Grenzen dessen, was ok ist und was nicht. “Wichtig ist es, diese Themen sowohl in geschlechtshomogenen als auch in geschlechtsgemischten Gruppen zu besprechen”, stellte ein Teilnehmer fest.

No Replies to "Bericht zu Werkstätten für ein diskriminierungsfrei(er)es Nachtleben in Wü."

    rfwbs-sliderfwbs-sliderfwbs-sliderfwbs-sliderfwbs-sliderfwbs-sliderfwbs-sliderfwbs-slide